Stadt Wehlen (nun
nicht mehr) in
der Elbe
Stand: 21. August 2002
wehlen-online.de
mit einer extra-Ausgabe ("Notausgabe") vom Hochwasser 2002
Bilder: Constantin Cassel, Ortschronist
Bis zum 15. August 2002 hat es niemand glauben wollen, dass es noch jemals ein solches Hochwasser geben würde. Der Stand von 1845 wurde um nur ca. 30 cm verfehlt.
Man spricht jetzt bereits vom "Jahrtausendhochwasser".
Seither kein Telefon, kein Strom, kein Gas. Und damit auch kein Fax, Internet
oder e-Mail. Fähranlegestellen, Erlebnisbad, Kläranlage, alles im Elbschlamm
versunken oder mitgerissen. Bootsverkehr wie in Venedig, allerdings weniger
romantisch.
So schlimm, wie im Haus vom Wirker Achim, stand es - Gott sei Dank - nicht bei
allen. Aber die Häuser in der ersten Reihe hat es fast alle arg mitgenommen.
Auch unsere Kirche wurde stark in Mitleidenschaft gezogen, das Wasser stand im
Kirchenschiff 1/2 m hoch. Damit sind auch Elektrik, Heizung und vieles andere
zerstört.
Am schlimmsten hat es das einheimische Gewerbe getroffen: Mehrere Gaststätten
und Geschäfte unter Wasser, u.a. wurden bei Fleischer, Bäcker, Elektriker für die Produktion
notwendige Anlagen zerstört.
Inzwischen ist das Elbwasser mehr als 4 m gesunken und das Gesamtmaß der Auswirkungen wird sichtbar. Die Aufräumungsarbeiten sind in vollem Gange. Bürgermeister Tittel hat den Bürgern Mut zum neuen Anfang gemacht, indes, er wird in Anbetracht der großen Schäden von manchem noch nicht geteilt...
Etwas Positives gibt es aber auch zu berichten: fast alle Obdachlose fanden bei Freunden oder Verwandten in höhergelegenen Stadtteilen Unterkunft, es hat untereinander eine - vermeintlich verlorengegangene - Welle der Solidarität ausgelöst. Sogar Ministerpräsident Georg Milbradt hat sich am Mittwoch (21.08.) versucht, ein Bild von den Verwüstungen zu machen und die Bürger zu trösten.
Aber auch Auswärtige kommen und wollen helfen, dem Wiederaufbau eine Chance zu geben. Es sind bereits viele Hilfsangebote und Geldspenden eingetroffen.
Wenn auch Sie dazu beitragen wollen, können Sie z.B. das von der Stadt eingerichtete Konto für eine finanzielle Spende nutzen:
Konto-Nr.
3000061842 bei der |
"Das war (fast) wie im
Krieg"
Wer die Tage der Flut und danach vor Ort
miterlebt hat, wird sie so schnell nicht wieder vergessen können. So, wie es
das zurückweichende Wasser zulässt, kämpfen sich ab Sonntag früh (18.8.)
straßenzugweise zuerst die Feuerwehren vor. Zurückgelassenes Treibgut, z.B.
ganze Bungalows oder Teile davon, angeschwemmte Müllcontainer und vor allem der
zurückgelassene Schlamm muss weggeräumt werden. Derweil versuchen die
Menschen, mit Gummistiefeln oder noch mit Booten, in ihre Häuser und
zerstörten Wohnungen zurückzukehren. Vom Krisenstab in der Wehlener Schule
wird bis zur physischen Erschöpfung das große Aufräumen koordiniert.
Unvorstellbare Mengen an Müll aus aufgeweichtem Mobiliar, Fußböden und
Wandverkleidungen, die aus den Häusern herausgebracht und sich nun auf den
Straßen bergen, müssen beräumt werden. Ich weiß nicht, ob jemand die Anzahl
der Müllfahrzeuge und -container mitgezählt hat (vielleicht Müllmann Oertel?). Langsam wird das ganze Ausmaß der Zerstörung sichtbar. Das gleiche
Trauerspiel auf der anderen Elbseite. In den Ortsteil Pötzscha kommt jetzt kaum
jemand herüber, dort wird der Einsatz selbständig vom Feuerwehrdepot aus
koordiniert. Technik ist auch trotz der schnell zu Hilfe geeilten befreundeten
Feuerwehren, z.B. aus Wangen im Allgäu oder der Stadt Trochtelfingen
kaum ausreichend vorhanden. Hilfslieferungen aus Wehlen an der Mosel und
Dorn-Dürkheim füllen manche Lücke. Immerhin wird es mit den zahlreichen
freiwilligen Helfern (eingeschlossen die Bundeswehr) in gut einer Woche geschafft, die Stadt vom schlimmsten
Müll und Unrat zu befreien.
Die erste Aktualisierung von wehlen-online.de
ermöglichte mir zunächst Herr Meißner von
gestaltung
und werk in Pirna-Copitz, zu dem ich kurz
entschlossen mit meinem PC anreiste. Dann habe ich mir ein neues handy zugelegt,
ein Siemens C45, eins, das Datenverkehr zulässt. So konnte ich - zwar nur mit
9600 bps - aber wenigstens von zu Hause aus alles Weitere erledigen. Allerdings
habe ich meine Telefonrechnung noch nicht angesehen...
Langsam kehrt das Leben wieder
zurück
Seit Donnerstag (4. September) werden nun die Telefonverbindungen nach
und nach wieder
hergestellt, wofür wir der TELEKOM sehr dankbar sind (Ziel war 16. September),
auch Gas und Strom fließt in den Häusern wieder, deren Anschlüsse freigegeben
sind.
Bestimmte wichtige Dinge können nun wieder von Wehlen aus erledigt werden.
Allerdings war sowohl unser Rathaus (Markt 5) als auch die Touristinformation
(Markt 7) im Erdgeschossbereich vom Hochwasser betroffen und die erst kürzlich
dort installierten ISDN-Anlagen sind vom Wasser vollständig zerstört. Ohnehin
sind die Räume momentan nicht bewohnbar, so dass wir bis auf
Weiteres dort noch interimsmäßig arbeiten müssen, d.h. Telefon und Fax
der Stadtverwaltung sowie des Gästeamtes sind noch nicht verfügbar. Beim
e-Mail-Verkehr des Rathauses helfe ich als webmaster von wehlen-online.de
aus, d.h. die e-Mails laufen bei mir auf und werden nach Bearbeitung durch die
Stadtverwaltung / Bürgermeister beantwortet. Die e-Mails an die
Touristinformation Wehlen werden vom Gästeamt Lohmen bearbeitet.
Die Fähre fährt wieder !
Seit Mittwoch (3. September) fährt auch
unsere Fähre wieder, damit sind Stadt Wehlen und Pötzscha wieder
verbunden und so langsam kehrt das Leben wieder zurück. Allerdings ist die
Bahnstrecke Dresden - Prag immer noch unterbrochen, Regionalzüge von Dresden
nach Bad Schandau wurden von der Bundesbahn als Schienenersatzverkehr
eingerichtet, schauen Sie im Bedarfsfall auf die Hinweise der DB AG im Internet.
Als ich am Sonntag (8.September) meine
Garagentore auf der Pirnaer Straße reparierte, kam der erste Dampfer nach der
Hochwasserkatastrophe vorbei, es war die "Stadt Wehlen". Zwar hatte sie (noch) nicht sehr
viele Gäste an Bord, aber trotzdem habe ich aus voller Kraft gewunken und hatte
dabei einen dicken Klos im Halse...
Die Schadensbilanz
Der Schaden lässt sich noch lange nicht
abschließend beurteilen, zur Zeit muss die
Bilanz fast täglich nach oben korrigiert werden. Hier nur ein kleiner Auszug
(Stand 10. September): 502 Einwohner mussten evakuiert werden. Betroffen in den
OT Stadt Wehlen, Zeichen und Pötzscha sind 202 Gebäude, davon 114
Wohngebäude, 32 Wohn-Geschäftshäuser. Ob Gebäude abgerissen werden müssen,
ist noch nicht bekannt. Betroffen sind weiterhin 50 Gewerbebetriebe incl.
Pensionsobjekte. 35 Bungalows sind beschädigt oder ganz weggerissen worden.
Finanziell wird der Schaden auf mind. 24 Mio € geschätzt...
Trotzdem muss es weitergehen
Auf ihrer 36. Öffentlichen Ratssitzung am 10. September sprachen sich alle
Stadträte für die Durchführung der Wehlener Kirmes aus und froh sind alle
über die Zusage der Nationalparkverwaltung, den
ausgefallenen Naturmarkt am 3. Oktober auf dem Wehlener Marktplatz nachzuholen.
Das Gästeamt kann zwar noch nicht wieder in seine alten (neuen) Räume
einziehen, aber Telefon und Fax sollen umgeleitet werden, damit
Zimmervermittlungen wieder von Wehlen aus möglich sind. Dazu sollen auch
Informationen ins Internet gestellt werden, welche Quartiere momentan nicht
gebucht werden können. Höhergelegene Hotels und Pensionen, insbesondere
im OT Dorf Wehlen, haben ohnehin momentan reichlich (zu viele) freie
Kapazitäten. "Wenn wieder Gäste kommen, ist das die beste Aufbauhilfe
für uns" hieß es sinngemäß vor einigen Tagen in der
Sächsischen Zeitung.
So langsam kommen die meisten wieder zur Besinnung und es wird allen klar, dass
wir seit den ersten Tagen nach der Flut eine riesige Unterstützung durch das
ganze Land haben, ohne die wir vielleicht verzweifelt wären.
Daher ist es uns ein Herzensbedürfnis, allen Helfern und Spendern zu danken. Eine solche Welle von Hilfsbereitschaft von außen gibt uns allen Mut, nicht aufzugeben und das Verlorene wieder aufzubauen. Wenn Einzelne hier genannt werden, wie unsere Partnergemeinde Wehlen an der Mosel, die Stadt Trochtelfingen und Nachbargemeinden, Dorn-Dürkheim und insbesondere Wangen im Allgäu, so sollen sich alle anderen nicht zurückgesetzt fühlen, aber die Liste ist sehr lang. Die vielen unbekannten Helfer z.B. aus der Lausitz, dem Vogtland oder dem Erzgebirge, aber auch die Bundeswehrsoldaten - aus "aller Herren Länder" - die tatkräftig mit anpackten, haben uns sehr geholfen.
Haben Sie alle herzlichen Dank !